Öl Statt Nektar

Die Pflanzengattung Lysimachia nimmt unter den Pflanzen in Europa eine besondere Stellung ein: Ihre Blüten produzieren keinen Nektar, sondern Öl - und dies können nur wenige spezialisierte Bienenarten nutzen. In Deutschland kommen drei Lysimachiaarten vor, die beiden heimischen Arten Gewöhnlicher Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) und Pfennig-Gilbweiderich (Lysimachia nummularia), sowie der aus Südosteuropa stammende Punkt-Gilbweiderich (Lysimachia punctata) - eine bei uns etwas aus der Mode gekommene und zum Wuchern neigende Gartenstaude. Sie ist einer meiner Favoriten für den Garten: eine wirklich zähe Staude, die in kurzer Zeit die unwirtlichsten Orte einnimmt und dabei gut aussieht.

Erst der Ökologe Stefan Vogel wies in den 1970er Jahren nach, dass solche "Ölblumen" auch in Europa - und nicht nur in den Tropen - vorkommen, und er wies die enge Verbindung zu den beiden Schenkelbienenarten nach, die Öl statt Nektar sammeln: Macropis europaea und Macropis fulvipes. Die Weibchen beider Arten sammeln das Öl als Teil der Brutnahrung und zum Auskleiden der Brutkammern, ebenfalls als Brutnahrung wird der Lysimachia-Pollen gesammelt. Mehr Informationen zu Macropis und dem engen Zusammenhang zwischen Blüte und Gast finden sich bei Paul Westrich: https://www.wildbienen.info/bluetenbesuch/oelblumen.php

Irmgard Schäffler und weitere Wissenschaftler*innen zeigten 2015 in einer Studie, dass zwischen Ölblumen und ölsammelnden Bienen ein "privater Kommunikationskanal" existiert. Ausgehend von der Beobachtung des engen Bestäubungs-Mutualismus zwischen Ölblumen und Ölbienen, der weltweit in zehn Pflanzenfamilien und zwei Bienenfamilien entstanden ist, erwarteten die Wissenschaftler*innen einen spezifischen Kommunikationsweg zwischen Blume und Biene. Alle Ölblumen weltweit produzieren sehr ähnliche Öle, sie bestehen typischerweise aus Mono-, Di- und Triglyceriden und spezifischen Fettsäuren. Basierend auf dieser Gemeinsamkeit sowie der Beobachtung, dass Ölextrakte Ölbienen anziehen, stellten sie die Hyopthese auf, dass es im Blumenöl flüchtige Stoffe geben muss, die als "Indexsignal" zwischen Blume und Biene wirken. Sie testeten verschiedene aus dem Öl extrahierte Stoffe mit Hilfe einer Methode, die das elektrische Potenzial der Insektenantennen misst - und konnten mit Diacetin den Stoff identifizieren, der die Ölbienen anzieht. Diacetin erfüllt zwei Voraussetzungen für ein solches Indexsignal oder privaten Kommunikationskanal: Er kommt selten genug vor und er wird - auch das wurde getestet - von anderen potenziellen Bestäubern (wie z.B. der Honigbiene) nicht erkannt. 


Macropis Fulvipes, Waldschenkelbiene, auf Lysimachia Punctata

Auf den Fotos oben sind Macropis-Weibchen mit dicken Pollenpolstern an den Hinterbeinen zu sehen, im den unteren Bildern Männchen beim Schlafen: links und rechts aus Lysimachia, in der Mitte in einer Potentilla-Blüte; gut sichtbar die verdickten "Schenkel" der Hinterbeine, die der Art ihren deutschen Namen geben. Mehr Informationen zu Macropis fulvipes finden sich hier:

http://www.wildbienen.de/eb-mfulv.htm

Macropis fulvipes wird auf der Roten Liste für Wildbienen in NRW als gefährdet eingestuft (bezogen auf ganz NRW, in der Region Eifel und Siebengebirge als "durch extreme Seltenheit (potenziell) gefährdet". In meinem kleinen Stadtgarten wuchs Lysimachia punctata bereits entlang eines Schotterwegs in voller Sonne - ich habe sie zusätzlich im trockenen Schatten unter einer Rosskastanie angesiedelt und sehe nun innerhalb der letzten drei Jahre einen deutlichen Anstieg in der Anzahl der Schenkelbienen. Allerdings beobachte ich auch, dass Blütezeit von Lysimachia punctata und Flugzeit von Macropis fulvipes nicht ideal aufeinander angestimmt sind - zumindest in meinem Garten. Die ersten Männchen mit ihren schnellen, die Blütenstände absuchenden Schwarmbahnen und die ersten pollen- und ölsammelnden Weibchen erscheinen erst in der zweiten Junihälfte, mehr als zwei Wochen nach Blütebeginn.  


Außer Macropis fulvipes ist in meinem Garten nur eine weitere Bienenart beim Pollensammeln zu beobachten, eine kleine Schmalbienenart, vermutlich Lasioglossum leucozonium (oben links und Mitte). Nach Paul Westrich sammeln zwei Lasioglossumarten (L. calceatum und L. leucozonium) Pollen auf Lysimachia punctata. Beide sind ausgesprochen polylektisch und nutzen viele Planzenfamilien als Pollenquelle. Interessant wäre zu testen, ob auch sie auf Diacetin als Indexsignal reagieren - oder ob es andere olfaktorische oder visuelle Signale der Blüten sind, die sie anlocken. Rechts im Bild ein Lysimachiablütenstand mit einer Verbänderung (Fasziation).


Macropis europaea, Auen-Schenkelbiene, auf Lysimachia vulgaris

Lysimachia vulgaris, der Gewöhnliche Gilbweiderich, wächst nicht in meinem Garten - aber gerne in Ufernähe von Seen und Talsperren, wie z.B. der Aggertalsperre oder dem Rursee in NRW, und natürlich am Rheinufer. Wo größere Bestände wachsen, ist im Hochsommer die zweite Art der Gattung Macropis zu finden, Macropis europaea. Die Weibchen spreizen, ebenso wie Macropis fulvipes, beim Pollensammeln die Hinterbeine ab. Ohne Pollenladung sind die Hinterbeine auffällig weiß behaart (Bild links). Rechts ein Männchen mit gelber Gesichtsbehaarung.


Die Zugehörige Kuckucksbiene: Epeloides coecutiens, Schmuckbiene

Die Schmuckbiene, Epeloides coecutiens, ist ein sehr seltener Gast in meinem Garten (und laut Roter Liste NRW ebenfalls durch extreme Seltenheit potenziell gefährdet in meiner Region): Hier auf Blüten des Echten Dost (Origanum vulgare) zu sehen. Epeloides coecutiens ist eine Kuckucksbiene bei beiden Schenkelbienen-Arten - ihren deutschen Namen verdankt sie ihrer Farbenpracht.