Wollbiene UND Wollziest

Anthidium manicatum, Männchen, auf Platterbsenblüte
Anthidium manicatum, Männchen, auf Platterbsenblüte

Der Name "Wollbiene" führt, wenn man dahinter eine Beschreibung für das Erscheinungsbild vermutet, ganz in die Irre. Die Gartenwollbiene, Anthidium manicatum, ist kein plüschiger Brummer, sondern lässt an eine seltsam dicke Wespe denken, bis dann noch, beim Männchen, die vom Hinterleib abstehenden orangefarbenen Haarbüschel und die dornigen Spitzen auffallen. Diese Männchen sind echte Kämpfer:

  • sie besetzen ein Territorium, das idealerweise aus ein paar Blütenständen des Wollziests oder des Muskatellersalbeis besteht,
  • hier fliegen sie schnelle Patrouillienflüge, die von schwebfliegenähnlichem Stehen in der Luft unterbrochen werden; es wird dauernd die Richtung geändert und kaum einmal kurz Nektar aufgenommen oder ausgeruht,
  • sie verteidigen ihr Territorium, indem sie alles Fliegende attackieren, was kein Weibchen ist - selbst einen deutlich größeren Gegner wie die Holzbiene.

Die Weibchen schaben Pflanzenhaare von den Blättern des Wollziests oder auch von Königskerzen ab und nutzen diese als "Nistwolle" - was nun den deutschen Namen erklärt. Mit den Pflanzenhaaren wird in Hohlräumen ein Nest für Brutzellen angelegt.  

Wollziest (Stachys byzantina) ist als Anziehungsmagnet ideal geeignet für die Gartenwollbiene, da er neben Pollen, Nektar und Territorium den Weibchen eben auch dieses Nistmaterial bietet. Die "Wolle" erfüllt beim Wollziest, einer sonnenliebenden Pflanze mit Vorliebe für trockene Standorte (der lateinische Name verrät es: sie kommt aus dem östlichen Mittelmeerraum), natürlich einen eigenen Zweck: Sie dient dem UV-und Verdunstungsschutz. So stark behaart sind die Blätter des Wollziests, dass sie nicht mehr grün, sondern silbrig grau aussehen.

 

Anthidium manicatium, Weibchen, auf Muskatellersalbei
Anthidium manicatium, Weibchen, auf Muskatellersalbei

Bei den Gartenwollbienen sind die Männchen deutlich größer als die Weibchen - üblich bei Wildbienen ist es andersherum. In Die Wildbienen Deutschlands beschreibt Paul Westrich eine Hierarchie unter den Männchen: Es gibt Platzhalter, Satellitenmännchen und Vagabunden, und deren jeweils unterschiedliches Verhalten geht mit körperlichen Unterschieden einher und bestimmt auch den Paarungserfolg.

Zwei mögliche Erklärungen für das Revierverhalten gegenüber anderen Insektenarten bieten sich laut Westrich an: Eigene Nahrungsquellen sichern oder ein attraktives Umfeld für Weibchen schaffen.

In meinem Garten liegen zwischen Wollziest (entlang eines Kieswegs für die Gartenwollbiene gepflanzt - und weil es eine so schöne Pflanze ist) und Muskatellersalbei (in Töpfen auf der Terrasse) rund 20 Meter. Den Muskatellersalbei (Salvia sclarea) habe ich explizit für Holzbienen (Xylocopa violacea) gepflanzt, die wie geplant (nicht immer gehen solche Pläne ja auf) bereits im ersten Jahr von den eigentümlich duftenden Blüten angezogen wurden. In diesem Sommer haben die Holzbienen jedoch (ungeplant) Konkurrenz bekommen: Die Wollbienen sind da. Die Blüten des Muskatellersalbeis sind nur schwer zu öffnen, es braucht gewichte Bienen wie die Holzbiene, um den Schlagbaummechanismus der Blüte auszulösen - andere Hummeln und Bienen scheitern daran. Vermutlich handelt es sich beim Blütenbesuch von Anthidium manicatum auf Salvia sclarea um Pollendiebstahl: Der eigentlich bestäubende Mechanismus wird nur insoweit in Gang gesetzt, bis eine Pollenernte mit dem Hinterleib möglich ist.

Dank ihrer verteidigungsgepolten Männchen, die sich mit den doppelt so großen Holzbienen erfolgreich anlegen, haben die Wollbienenweibchen an dieser Pflanze nun gar keine Nahrungskonkurrenz mehr. Den Holzbienen bleibt in meinem Garten nur, auf Platterbsen (Lathyrus latifolius) auszuweichen, die sie mit friedlicheren Platterbsenmörtelbienen teilen. Männchen und Weibchen der Gartenwollbiene lassen sich aufgrund ihres Verhaltens, ihrer Vorliebe für Ziest und Lippenblütler und aufgrund ihres Aussehens leicht erkennen. Beim Männchen oben im Bild sind die typischen orangefarbenen Haarbüschel an den Seiten sowie die dornigen Verteidigungsstrukturen am Hinterleib gut zu sehen.

Beobachten lassen sich die Wollbienen also ohne großen Aufwand im eigenen Garten: Wenn man Wollziest und  idealerweise noch ein paar weitere Lippenblütler pflanzt. Die Gartenwollbiene kommt häufig vor, sie hat ihren Siedlungsschwerpunkt in Gärten und wird sich bei einem passenden Pflanzenangebot rasch einstellen.

 

Fotos in der oberen Reihe: Männchen beim Nektarsammeln an Lippenblütlern und bei einer kurzen Rast auf einer Platterbsenblüte. Untere Reihe: Weibchen beim Pollen- und Nektarbesuch auf Muskatellersalbei und Wollziest; Foto unten rechts: Paarung.


Weitere Wollbienen: Anthidium Punctatum und Anthidium oblongatum

Die Weißgefleckte Wollbiene (Anthidium punctatum), Foto links, und die Spaltenwollbiene (Anthidium oblongatum), habe ich bislang nur selten und auf Wanderungen in Weinbergen am Rhein gesehen (Foto Mitte links auf Reseda lutea), im Botanischen Garten (Foto Mitte rechts, auf Erigeron glabellus) und neuerdings auch in meinem Garten auf Hornklee (Foto rechts). Beide Arten sind deutlich kleiner als Anthidium manicatum und haben grünliche bis olivegrüne Augen, sie lieben trockene und warme Standorte und zeigen ebenfalls ein Territorialverhalten. Sie sind polylektisch, d.h. nicht sehr wählerisch, was ihre Pollenquelle angeht.