Spezialisten und Generalisten

Andrena hattorfiana auf Knautia arvensis
Andrena hattorfiana auf Knautia arvensis

Während Wildbienen nicht sehr wählerisch sind, wenn es um Nektar (= Zucker für die Eigenversorgung und als Teil des Larvenfutters) geht, gibt es bei der Wahl der Pollenquelle (= Larvenfutter) große Unterschiede in der Verpflegungsstrategie. Rund ein Drittel der Wildbienen Deutschlands sind auf eine oder einige wenige Pflanzenarten als Pollenquelle spezialisiert - die anderen Arten sammeln ihren Pollen auf einem breiteren Spektrum unterschiedlicher Pflanzenfamilien. Dieser Unterschied wird mit oligolektisch (wenig sammelnd) und polylektisch (viel sammelnd) bezeichnet - wenig und viel bezieht sich auf die Zahl der genutzten Pflanzenarten. Oligolektische Arten sind, was ihren Lebenszyklus betrifft, eng an ihre "Wirtspflanze" gekoppelt: In den wenigen Wochen der Blütezeit legen die Weibchen ihre Nester an und sterben danach. Es überrascht also nicht, dass es sich, bis auf einige wenige Ausnahmen wie z. B. die Glockenblumenschmalbiene, Lasioglossum costulatum, um solitäre Wildbienenarten handelt und dort um univoltine Arten (nur eine Generation ausbildend), also um Bienenarten, deren erwachsene Tiere nur eine kurze Lebensdauer von einigen wenigen Wochen haben. 

Eine Bienengattung, aus der Vertreter beider Verhaltensweisen häufig und gut zu beobachten sind, ist die Gattung Andrena (Sandbienen). In meiner näheren Umgebung finde ich verlässlich zwei Arten, die extrem spezialisiert sind und die deshalb nach "ihrer" Pflanze benannt wurden:

- die Knautiensandbiene, Andrena hattorfiana, sammelt ihren Pollen fast ausschließlich auf einer einzigen Pflanzenart, der Ackerwitwenblume Knautia arvensis,

- die Zaunrübensandbiene, Andrena florea, ist pollensammelnd nur auf den Blüten der Zaunrübe (Bryonia dioica und Bryonia alba) zu finden.

Andrena curvungula, die Braunschuppige Sandbiene, habe ich bereits unter den Glockenblumenspezialisten vorgestellt: Sie nutzt, soweit ich das beobachten kann, alle in meinem Garten vorhandenen Arten der Pflanzengattung Campanula.

Es gilt natürlich: Nur dort, wo ausreichend viele pollenliefernde Pflanzen blühen, kann sich die passende Biene einfinden.


Knautie und Knautiensandbiene

Die Ackerwitwenblume Knautia arvensis wächst dort auf Wiesen und an Wegrändern, wo nicht allzu oft gemäht und gedüngt wird. Zusammen mit Skabiosenflockenblumen und Wiesenflockenblumen (Centaurea scabiosa und Centaurea jacea) lässt sie im Sommer die Wiesen lila leuchten. Witwenblumen sind nicht nur bei Wildbienen, sondern als Nektarquelle auch bei vielen Schmetterlingsarten beliebt - links im Bild ein Widderchen.

Andrena hattorfiana ist keine häufige Wildbienenart (laut Roter Liste in NRW ist sie stark gefährdet) - nur dort in NRW und in Rheinland-Pfalz, wo größere zusammenhängende Wiesenflächen extensiv bewirtschaftet werden, sehe ich sie recht verlässlich. Eine sichere Bank ist außerdem der Botanische Garten in Bonn, wo sie neben Knautien auch andere Kardengewächse wie Skabiosen nutzt. Oben links ein A. hattorfiana-Männchen mit weißer Gesichtszeichnung, Mitte und rechts Weibchen, die den lilafarbenen Pollen sammeln. In meinem Garten hat sich Andrena hattorfiana noch nicht eingestellt - dafür ist sie dann  doch zu selten und auf große Blütenbestände angewiesen, die ich hier in der Stadt nicht sehe, auch wenn in Blumenbeeten inzwischen häufiger die tiefrot gefärbte sehr hübsche Mazedonische Knautie, Knautia macedonia, gepflanzt wird. 

 


Zaunrübe und Zaunrübensandbiene

Lasioglossum sp., Nektarbesuch auf weiblicher Bryonia dioica
Lasioglossum sp., Nektarbesuch auf weiblicher Bryonia dioica

Die Rote Zaunrübe, Bryonia dioica (zweihäusig und rotfrüchtig) ist eine auffällige Pflanze und kommt in Bonn und Umgebung häufig vor: Sie rankt sich in Hecken und Zäune entlang von Fahrrad- und Gehwegen - nur leider wird sie auch häufig von privaten oder städtischen Gärtnerinnen und Gärtnern als rankendes Unkraut entfernt. Die nah verwandte seltenere Art Bryonia alba (einhäusig getrenntgeschlechtlich und schwarzfrüchtig) habe ich hingegen noch nicht entdeckt. Links im Bild eine weibliche Blüte von Bryonica dioica mit deutlich unterständigem Fruchtknoten (die dicke Kugel unterhalb der Blütenblätter), an der sich eine Schmalbiene (Lasioglossum sp.) mit Nektar versorgt. Beide Zaunrübenarten sind giftig, sie enthalten Cucurbitacine: Bitterstoffe, die hauptsächlich in Pflanzen aus der Familie der Kürbisgewächse (Cucurbitaceae: neben Zaunrüben gehören Kürbisse und Zucchini, Melonen und Gurken zur Familie) vorkommen. In unseren Gemüsepflanzen wurden die Bitterstoffe duch Züchtung so stark reduziert, dass die Früchte essbar sind. Sollte eine Zucchini oder eine Gurke bitter schmecken, kann es zu schweren Vergiftungen kommen - die Pflanze kann durch spontane Mutationen, bei Kreuzung mit Wildformen oder als Stressantwort auf widrige Bedingungen wieder mehr Curcubitacine bilden. Meine Großmutter Elise hat von jeder Gurke aus ihrem Garten ein Stück probiert, ehe sie als essbar für die Familie befunden wurde.

Andrena florea (Bildzeile oben) ist, so meine Erfahrung aus Bonn und Umgebung, häufig auf Zaunrübenpflanzen zu finden; aufgrund ihrer engen Bindung an die Pflanze und durch die klare rote Färbung der ersten Hinterleibstergite ist sie kaum mit anderen Bienen zu verwechseln. In meinem Garten habe ich vor ein paar Jahren eine Zaunrübe an den Wegrand gepflanzt mit dem Ziel, die zugehörige Biene anzulocken: Obwohl die Pflanze immer noch ziemlich mickrig (aber zumindest männlich) ist, hat das - aufgrund der vielen vorhandenen prächtigen Zaunrübenpflanzen in der Umgebung - gut geklappt: Andrena florea-Weibchen sammeln Pollen, ein Männchen (Bild oben mitte rechts) sucht eine Blüte als Schlafplatz auf.


Die Generalisten: Andrena Flavipes und Andrena Haemorrhoa

Andrena haemorrhoa auf Johannisbeerblüten
Andrena haemorrhoa auf Johannisbeerblüten

 

 

In meinem Garten finden sich zwei Generalistinnen ein:

- die Gemeine Sandbiene, Andrena flavipes. Sie ist im Frühjahr und dann wieder im Spätsommer zu Gast, bildet also zwei Generationen im Jahr aus; auffällig ist die gelbe Behaarung am Hinterbeinpaar - die freilich vor lauter Pollen nicht immer zu sehen ist.

- die Rotschopfige Sandbiene, Andrena haemorrhoa, die eine orangefarbene Behaarung am Thorax und am Ende des Hinterleibs (Endfranse) aufweist, während der Hinterleib sonst kaum behaart ist. Sie bildet nur eine Generation aus und ist nur im Frühjahr zu Gast.