Nichts als Glockenblumen

Zwei Scherenbienenarten in einer Blüte der Nesselblättrigen Glockenblume
Zwei Scherenbienenarten in einer Blüte der Nesselblättrigen Glockenblume

Ihre blauen Glocken machen den Sommer aus: Nessel-, Pfirsich- oder Rundblättrige Glockenblume, Acker-, Wiesen-, Polster- oder Rapunzelglockenblumen sind zauberhafte Pflanzen in Beet oder Topf, entlang von Wegen und auf Mauern. Mit kaum einer anderen Pflanzengattung gelingt es, so meine Erfahrung, in kurzer Zeit ganz unterschiedliche hochspezialisierte (oligolektische) Wildbienenarten in den Garten zu locken.

Glockenblumen haben keine besonderen Ansprüche, was den Boden betrifft (nur Staunässe sollte man vermeiden) und sie kommen mit Schnecken klar: dankbare Anfängerpflanzen. Meinen Garten habe ich vor sechs Jahren auf einer Fläche angelegt, die davor nur aus Weg, Parkplatz und Hof bestand. Die Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) wanderte aus Nachbars verwildertem Staudenbeet von selbst ein. Die Nesselblättrige und die Rundblättrige Glockenblume (C. trachelium und C. rotundifolia) waren Einzugsgeschenke meiner Freundin Nicole, die ich in Beet, Töpfe und am Rand des Kieswegs pflanzte. Die Ackerglockenblume (C. rapunculoides) ein Kauf auf dem Wochenmarkt, seither in Töpfen auf der Terrasse verteilt; die Dalmatiner Polsterglockenblume (C. portenschlagiana) ein Gartencenterkauf: ihr habe ich einen undankbaren und nicht besonders geeigneten Platz (trocken und schattig) unter dem Holunder gegeben: Sie macht das beste daraus und überlebt, sucht sich jedoch außerdem mehr Sonne und wuchert nun zusätzlich über eine Mauer. Die Rapunzelglockenblume (C. rapunculus) stammt aus einem Salatanbauversuch im Hochbeet: Dort gemischt erfolgreich (die versprochenen fingerdicken Wurzeln waren mickrig, die Blattrosetten schmeckten als Salat lecker) wandert sie seither, typisch Zweijährige, auf eigenen Wegen durch den Garten.

Wer fehlt? Knäuelglockenblume (C. glomerata), Wiesenglockenblume (C. patula) und Riesen-Glockenblume (C. lactiflora) stehen auf meiner persönlichen Wunschliste.

Tipp: Eine Bestimmungshilfe mit Bestimmungsmerkmalen und den dazugehörigen Fotos bietet die Seite Flora von Deutschland - mir hilft das z.B., wenn ich unterwegs zwischen Wiesen- und Rapunzelglockenblume schwanke.

Andrena curvungula auf einer Blüte der Pfirsichblättrigen Glockenblume
Andrena curvungula auf einer Blüte der Pfirsichblättrigen Glockenblume

Welche Bienen kommen? Von den streng oligolektischen, d.h. auf Campanula als Pollenquelle spezialisierten Bienenarten, beobachte ich zwei oder drei Scherenbienenarten: Die Gockenblumenscherenbiene, Chelostoma rapunculi, sowie kleinere (ca. 6 mm große) Scherenbienen, die vermutlich Chelostoma campanularum oder Chelostoma distinctum sind - beide sehen sich sehr ähnlich. Dazu kommen Andrena curvungula, die Braunschuppige Sandbiene und Melitta haemorrhoidalis, die Glockenblumensägehornbiene. Bei Lasioglossum costulatum, der Glockenblumenschmalbiene, bin ich mir nicht ganz sicher: zu ähnlich sehen andere Schmalbienen aus, und laut Roter Liste für NRW sollte die Art nicht in Bonn vorkommen.

Alleine haben die Spezialisten ihre Blüten jedoch nicht: Zwei polylektische Bienenarten sind häufig im Garten zu Gast und sammeln Pollen: Megachile willughbiella, die Gartenblattschneiderbiene und Andrena bicolor, die Zweifarbige Sandbiene.

Woher kommen die Bienen? Die Gärten der Nachbarschaft sehen nicht besonders bienenfreundlich aus: Rasen, immergrüne Büsche, Hortensien und Rosen, wenig Staudenbeete - andererseits aber auch Mauern, Efeu, Hecken, Apfelbäume und ungepflegte Ecken, außerdem große alte Straßenbäume (Kastanien, Eichen, Ahorn und Robinien) sowie ein Bach mit Steilufer. Direkt angrenzend mäßig gepflegte Rasenflächen und ein altes Staudenbeet, das dem Efeu überlassen wird, in dem sich aber noch ausreichend Glockenblumen, Phlox, Gilbweiderich, Platterbsen, Waldreben, Goldrute und Aster durchkämpfen. Mit Blick auf die Ansprüche von Wildbienen - Nistplatz, Baumaterial und Nahrungsraum - vermute ich eine ganz gute Abdeckung für die ersten beiden Ansprüche, mit Blick auf Nahrungsquellen könnte die Lage besser sein. Insgesamt ist es wohl ausreichend für eine Besiedlung bzw. häufigen Besuch von Insekten in der kleinen blütenreichen Neufläche meines Gartens.

Wie finden die Bienen ihre Blüten? Forscher an der Universität Ulm untersuchten den Blütenbesuch von Chelostoma rapunculi - ausgehend von der Hypothese, dass Blüten von unterschiedlichen Glockenblumenarten bestimmte visuelle Merkmale wie Blütenfarbe und/oder Geruchsmerkmale, die ihnen eine spezifische Signatur geben, teilen. Tatsächlich zeigte Chelostoma rapunculi eine starke Präferenz für die beiden Farben UV-Blau und Blau des Bienenfarben-Spektrums: Glockenblumenfarben. Mit Blick auf Geruchsstoffe wurden bei allen von Chelostoma rapunculi besuchten Glockenblumenarten Spiroacetale registriert - die in anderen Pflanzen nur selten vorkommen. Die Forscher schließen aus ihren Untersuchungen, dass bei Chelostoma rapunculi neurologische Anpassungen an geteilte visuelle und olfaktorische Merkmale von Glockenblumen vorliegen - und dass diese die hohe Bindung der Biene an diese Pflanzengattung erklären. Damit wird verhindert, dass Chelostoma rapunculi Pollen anderer Blüten nutzt - der übrigens für ihre Larven unverträglich wäre.

Wer fehlt? Zu meiner Überraschung sehe ich im Sommer wenige Honigbienen und kaum Hummeln an den Glockenblumen. Erst zum Herbst hin wird, mit der zweiten Blüte der Pfirsichblättrigen Glockenblume, der Blütenbesuch durch Honigbienen häufiger. Grundsätzlich geeignet sollten die Glockenblumenblüten sein - werden jedoch zumindest in meinem Garten nicht oder nur wenig genutzt.

Wer profitiert? Wespen (die Echten Wespen) sind häufig zur Stelle, wenn die üppig blühenden Ackerglockenblumen von kleinen Scherenbienen umschwirrt werden. Selten sehe ich einen echten Jagderfolg der Wespen und vermute, dass Aufwand und Ertrag der Jagd, auch angesichts der kleinen Beutegröße, in keinem idealen Verhältnis stehen.

 


Andrena Curvungula, Braunschuppige Sandbiene


Chelostoma rapunculi, Glockenblumenscherenbiene


Chelostoma campanularum, Chelostoma distinctum


LasiogLossum sp.; ggf. Lasioglossum costulatum, Glockenblumenschmalbiene


melitta haemorrhoidalis, Glockenblumensägehornbiene


Megachile Willughbiella, GartenBlattschneiderbiene


Andrena bicolor, Zweifarbige Sandbiene